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G. Keyßer
J. Zacher
H. Zeidler
für die Kommission
für Studentische Ausbildung
der Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie
Rheumatologie:
Integration in die studentische Ausbildung
– die RISA-Studie
Ergebnisse einer Datenerhebung zum aktuellen Stand
der studentischen Ausbildung im Fach Rheumatologie
an den deutschen Universitäten
Z Rheumatol 63:160–166 (2004)
DOI 10.1007/s00393-004-0577-4
ZfRh 577
WEITERBILDUNG/FORTBILDUNG
Eingegangen: 11. September 2003
Akzeptiert: 29. Oktober 2003
PD Dr. med. G. Keyßer (
)
)
Universitätsklinikum Kröllwitz
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I
Ernst-Grube-Str. 40
06097 Halle/S., Germany
Tel.: 03 45 / 557-26 65
Fax: 0345/557-4934
E-Mail:
gernot.keyszer@medizin.uni-halle.de
PD Dr. med. Josef Zacher
Klinik für Orthopädie
und Orthopädische Rheumatologie
Helios-Klinikum Berlin-Buch
Hobrechtsfelder Chaussee 96
13125 Berlin, Germany
Prof. Dr. med. Henning Zeidler
Medizinische Hochschule Hannover
Abteilung Rheumatologie
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover, Germany
Integration of rheumatology
into undergraduate training –
the RISA Study. Results of a survey
exploring the scale of education
and training in rheumatology
at German universities
nZusammenfassung Im Rahmen
der Bone and Joint Decade 2000–
2010 setzen sich nationale und
internationale rheumatologische
Fachgesellschaften für eine Ver-
besserung der studentischen Aus-
bildung auf dem Gebiet der mus-
kuloskeletalen Erkrankungen ein.
Die Kommission für studentische
Ausbildung der Deutschen Gesell-
schaft für Rheumatologie (DGRh)
führte im Jahre 2002 eine Be-
standsaufnahme der rheumatolo-
gischen Lehrtätigkeit an den
deutschen Universitäten durch.
Ein Fragebogen, der sowohl an
internistische als auch orthopädi-
sche Lehreinrichtungen versandt
wurde, erfasste die Qualifikation
der Lehrenden, Art und Umfang
von Vorlesungen und Praktika so-
wie die Auswahl rheumatologi-
scher Schwerpunktthemen.
Bei einer Rücklaufquote von
95% offenbarte sich ein breites
Spektrum rheumatologischer Aus-
bildungsmöglichkeiten. Dieses
reicht vom völligen Fehlen einer
rheumatologischen Kompetenz
bis zur umfassenden theoreti-
schen und praktischen Ausbil-
dung. Nur eine Minderheit der
Universitäten erfüllt dabei die
Empfehlungen der DGRh. Die
größten Defizite liegen in der
praktischen Ausbildung, bedingt
durch zu kurze Praktikumszeiten
und zu geringe Patientenzahlen.
Die gewonnenen Erkenntnisse
sollten Anlass geben, das bisheri-
ge Ausbildungsniveau den Anfor-
derungen einer Gesellschaft mit
wachsenden muskuloskeletalen
Problemen anzupassen.
nSummary During the Bone
and Joint Decade 2000–2010, na-
tional and international rheuma-
tological societies campaign for
improvements of undergraduate
training in the field of musculo-
skeletal diseases. In 2002, the
Committee for Undergraduate
Training of the German Society
for Rheumatology (DGRh) per-
formed a survey in order to esti-
mate the extent of rheumatologi-
cal undergraduate training at Ger-
man universities. A questionnaire
was sent to all university hospi-
tals for internal medicine and for
orthopaedics. The items of the
survey covered the qualification
of the teachers, the number and
the time frame of lessons and
courses, as well as the items of
the curriculum in rheumatology.
With 95% of the universities re-
sponding, a broad variation of
the quality of rheumatological
training became obvious, ranging
from the absence of competent
teaching to a comprehensive cur-
riculum covering theory and
practical training. Only a minor-
ity of universities fulfilled the re-
commendations of the DGRh for
undergraduate education. The
most substantial deficits are
found in practical training,
caused by insufficiently small
numbers of patients seen by the
medical students, and by the
short duration of the practical
Redaktion: Prof. Dr. E. Genth und Prof. Dr. J. Kekow
161G. Keyßer et al.
RISA-Studie
courses. The insights described
here should lead to the adapta-
tion of the level of education in
the field of rheumatology to the
demands of a society with grow-
ing musculoskeletal problems.
nSchlüsselwörter
Deutsche Gesellschaft
für Rheumatologie –
Studentische Ausbildung –
Lehrumfang Rheumatologie
nKey words
German society
for rheumatology –
undergraduate training –
rheumatological curriculum
Erkrankungen des Binde- und Stützgewebes sind nach
Angaben des Bundesgesundheitsberichtes (www.gbe-
bund.de) die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit
in der Bundesrepublik – mit steigender Tendenz.
Diese Entwicklung findet sich in ähnlicher Form in
allen westlichen Industrienationen. Die von UNO
und WHO eröffnete Bone and Joint Decade 2000–2010
lenkt daher die öffentliche Aufmerksamkeit auf die
wachsende gesellschaftliche Belastung durch musku-
loskeletale Erkrankungen. Im Rahmen dieser Kam-
pagne hat die European League against Rheumatism
(EULAR) die Ausbildung von Studenten und die Wei-
terbildung von Fachärzten zum Schwerpunktthema
erhoben. Die Weiterbildungsinhalte der Rheumatolo-
gie unterscheiden sich in den anderen europäischen
Ländern erheblich von den deutschen. Während in
vielen Ländern Europas ein Facharzt für Rheumatolo-
gie umfassend alle degenerativen und entzündlichen
Gelenkerkrankungen diagnostiziert und behandelt,
sind in Deutschland neben der hausärztlichen Versor-
gung auf der spezialärztlichen Ebene Fachärzte für Or-
thopädie, Orthopäden mit dem Schwerpunkt Rheu-
matologie und Internisten mit dem Schwerpunkt
Rheumatologie für muskuloskeletale Krankheiten zu-
ständig.
Defizite in der Vermittlung von Grundlagenwissen
und klinischen Fertigkeiten bei der Erkennung und
Behandlung rheumatischer Erkrankungen sind weit
verbreitet: So ergab eine Untersuchung von mehr als
200 stationären Patienten in England, dass nur 5%
der Symptome und Befunde des Stütz- und Bewe-
gungsapparates in den Krankenakten vermerkt wa-
ren [1]. 89% der Berufsanfänger an amerikanischen
Krankenhäusern versagten bei einem Test zu grund-
legenden Untersuchungstechniken des muskuloskele-
talen Systems [2]. Auch wenn vergleichbare Analysen
für Deutschland nicht vorliegen, ist die mangelhafte
Abbildung rheumatologischer Lehrinhalte im Ausbil-
dungsplan der deutschen Universitäten seit längerem
bekannt [3].
Im Jahre 2001 wurde in Prag vom EULAR Stan-
ding Committee for Education and Training der Ent-
wurf für ein Musculoskeletal Core Curriculum vor-
gestellt, ein europäischer Mindeststandard für die
Ausbildung von Medizinstudenten [4]. Elemente die-
ses Curriculums sind die Vermittlung grundlegenden
Wissens und elementarer klinischer Fähigkeiten bei
der Untersuchung von Erkrankungen des Bewe-
gungsapparates, sowie die Vermittlung einer grund-
legenden Einstellung (attitude) gegenüber diesen
chronisch kranken Patienten.
In der Bundesrepublik Deutschland hat die Kom-
mission für studentische Ausbildung der Deutschen
Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) bereits 1992
ein Konzept zur rheumatologischen Ausbildung von
Medizinstudenten vorgelegt [5]. Darin wurde ein Ka-
talog der zu behandelnden Gelenkerkrankungen er-
stellt, zu erlernende klinische Fertigkeiten definiert
und ein Zeitplan für die rheumatologische Ausbil-
dung empfohlen. Dieser beinhaltet 16 Stunden Rheu-
matologie in der Hauptvorlesung Innere Medizin,
ein einwöchiges Wahlpflichtpraktikum sowie elektive
bzw. Wahlpflichtveranstaltungen zum rheumatologi-
schen Praktikum im Umfang von 16 Stunden [5].
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine Erhe-
bung zu Art und Umfang der rheumatologischen
Ausbildung an den deutschen Universitäten durch-
zuführen. Anhand der Daten sollte geprüft werden,
wie weit der universitäre Alltag mit den Vorstellun-
gen einer optimalen rheumatologischen Lehrtätigkeit
übereinstimmt.
Methodik
Am 10. 4. 2002 wurde an die Dekanate von allen 37
medizinischen Fakultäten des Bundesgebietes ein
Rundschreiben geschickt, welches an die Verantwort-
lichen für die rheumatologische Studentenausbildung
auf internistischem und orthopädischem Gebiet wei-
tergeleitet werden sollte. Dieses enthielt einen Fra-
gebogen mit insgesamt 17 Fragen. Erfasst wurden
1. akademische und fachliche Charakteristika der
Lehrenden (Akademischer Grad, Habilitation auf
rheumatologischem Gebiet, Teilgebietsbezeich-
nung Rheumatologie, Weiterbildungsermächti-
gung, Mitgliedschaft in der rheumatologischen
Fachgesellschaft)
2. die Größe der angeschlossenen Einrichtung (Zahl
der immatrikulierten Studenten, Anzahl rheuma-
tologischer Betten, Fallzahlen der rheumatologi-
schen Fachambulanz, Vorhandensein einer Tages-
klinik)
3. Art und Umfang der Vorlesungen und Praktika
(Stundenzahl, Anzahl der Studenten am Kranken-
bett, Anzahl der vorgestellten rheumatologischen
Fälle, Vorhandensein eigenen Lehrmaterials, Ko-
operation mit anderen Fachgebieten) sowie die
Betreuung rheumatologischer Promotionsarbeiten
4. Schwerpunkte der Lehrtätigkeit anhand von 14
vorgegebenen Diagnose- und 6 Therapiegruppen
5. Eine Einschätzung der für die Lehre zur Verfü-
gung stehenden Zeit und des Interesses der Stu-
denten am rheumatologischen Lehrangebot
Da die Rücklaufquote bis Ende Mai 2002 nur etwa
60% betrug, wurde am 7. 6. 2002 ein Erinnerungs-
schreiben an die fehlenden Einrichtungen geschickt
und diese im Bedarfsfall anschließend telefonisch
kontaktiert.
Die Daten wurden in eine Excel-Datei aufgenom-
men und mit dem Statistik-Programm SPSS (SPSS
Inc., Chicago, Illinois, USA) ausgewertet.
Ergebnisse
In der Bundesrepublik existieren derzeit 37 medizi-
nische Fakultäten. Allen ist eine Klinik für Orthopädie
angeschlossen. An 7 Universitätsklinika für Innere Me-
dizin existieren C4-Lehrstühle für internistische Rheu-
matologie, an zwei von ihnen zusätzlich eine rheuma-
tologische C3-Professur. An 4 Häusern wird die inter-
nistische Rheumatologie durch eine C3-Schwerpunkt-
professur repräsentiert, an 4 weiteren ist eine C3-Pro-
fessur in Planung bzw. im Berufungsprozess.
35 Fakultäten antworteten auf die Befragung. Die
verbleibenden zwei Fakultäten konnten auf telefo-
nische Nachfrage keinen Ansprechpartner für die
rheumatologische Ausbildung benennen. 33 Antwor-
ten betrafen internistische, 26 orthopädische Univer-
sitätsklinika. In 22 Fällen antworteten beide Klinika
einer Fakultät. Bei einer Fakultät antwortete zusätz-
lich ein akademisches Lehrkrankenhaus mit ortho-
pädischer und internistischer Rheumatologie, so
dass insgesamt 61 Fragebögen zurückgeschickt wur-
den.
nAkademische und fachliche Charakteristika
der Lehrenden
Internistische Rheumatologie
Unter den Einsendern des Fragebogens befanden
sich 25 Personen, die auf dem Gebiet der Rheumato-
logie habilitiert waren (siehe Tab. 1). An 12 Fakultä-
ten wurde kein habilitierter Rheumatologe, an 6 Ein-
richtungen überhaupt kein Rheumatologe ausgewie-
sen. Acht Einsender verfügten über keine, 5 nur über
eine eingeschränkte Weiterbildungsermächtigung für
Fachärzte. Etwa zwei Drittel der Lehrverantwort-
162 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 63, Heft 2 (2004)
© Steinkopff Verlag 2004
Tab. 1 Akademische und Berufliche Qualifikationsmerkmale der Lehrenden
Internistische Rheumatologie Orthopädische Rheumatologie
Absolut
(und Prozent der Einsendungen)
Prozent aller Fakultäten Absolut
(und Prozent der Einsendungen)
Prozent aller Fakultäten
C4-Professur 7 (21) 19 14 (54) 38
C3-Professur 5 (15) 14 4 (15) 11
APL-Professur 6 (18) 16 1 (4) 3
Privat-Dozent (in) 7 (21) 19 5 (19) 14
Gesamt: 25 (76) 68 24 (92) 65
Teilgebietsbezeichnung
Rheumatologie
27 (82) 73 22 (85) 59
Kein Teilgebiet, 2 (6) 5
aber Fachvertreter in Klinik
Gesamt: 29 (88) 78 59
Weiterbildungs-
ermächtigung
Rheumatologie
Voll 20 (61) 54 15 (58) 41
Teilweise 5 (15) 13
Mitglied der
Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie
26 (79) 70 12 (46) 32
lichen waren Mitglied der rheumatologischen Fach-
gesellschaft.
Orthopädische Rheumatologie
Unter den Einsendern des Fragebogens befanden
sich 24 habilitierte Personen (siehe Tab. 1). In 17
Fällen wurde keine Angabe dazu gemacht, ob die
Habilitation auf rheumatologischem Gebiet erfolgte.
22 von 26 Lehrverantwortlichen besaßen das Teil-
gebiet orthopädische Rheumatologie. Etwas mehr als
die Hälfte der Einsender besaß die rheumatologische
Weiterbildungsermächtigung für Rheumatologie für
orthopädische Fachärzte.
nUmfang der rheumatologischen Einrichtungen
Internistische Rheumatologie
Zur Anzahl der rheumatologischen Betten wurde
von 28 Einrichtungen Angaben gemacht. Der Median
der rheumatologischen Bettenzahl betrug 19, die An-
gaben weisen eine hohe Streubreite auf (Abb. 1).
Acht Einrichtungen gaben Bettenzahlen von 5 oder
10 an.
Sieben Fakultäten verfügten über eine rheumato-
logische Tagesklinik. Alle internistischen Univer-
sitätsklinika wiesen eine rheumatologische Facham-
bulanz aus. Allerdings streuen auch hier die betreu-
ten Fallzahlen stark (Abb. 2). Neun Fakultäten be-
treuen pro Quartal nur 100-200 Rheumapatienten,
während die Fallzahl an 8 Häusern mehr als 800 be-
trug.
Orthopädische Rheumatologie
Zur rheumatologischen Bettenkapazität lagen uns
Daten von 19 Klinika vor. Die Bettenzahl liegt mit ei-
nem Median von 25 Betten deutlich höher als in den
internistischen Einrichtungen, allerdings wurde von
zahlreichen Einrichtungen die Gesamtzahl der ortho-
pädischen Betten angegeben (Abb. 1). Die rheumato-
logischen Fachambulanzen in der Orthopädie weisen
deutlich geringere Fallzahlen aus als die internisti-
schen Ambulanzen (Abb. 2).
nUmfang der Lehre im Fach Rheumatologie
Internistische Rheumatologie, Vorlesungen
Im Median erhalten Studierende in ihrer gesamten
Studienzeit 14 Vorlesungsstunden Rheumatologie
(Abb. 3). Davon sind 10 Stunden Pflicht – und
4 Stunden fakultative Vorlesung. C4-Professoren für
Rheumatologie lehren im Median 20 Pflichtstunden
Rheumatologie, i.d.R. ohne zusätzliche fakultative
Angebote, alle übrigen Fakultäten 10 Pflichtstunden.
An Fakultäten ohne C4-Lehrstuhl werden meist zu-
sätzlich im Median 5–6 fakultative Vorlesungsstun-
den angeboten. An 11 Fakultäten beträgt die Zeit für
rheumatologische Pflichtvorlesungen 5 Stunden und
weniger, darunter befinden sich 6 Universitätsklini-
ka, in denen überhaupt keine Pflichtvorlesung ange-
boten wird. Die empfohlene Zahl von 16 Vorlesungs-
stunden [5] wird als Pflichtvorlesung an 9 Univer-
163G. Keyßer et al.
RISA-Studie
Abb. 1 Anzahl der rheumatologischen Betten an Universitätskliniken. Die
Abbildung zeigt Median, Interquartilenbereich (grauer Balken), Minimum und
Maximum
Abb. 2 Anzahl von Patienten mit rheumatologischen Krankheitsbildern in
Fachambulanzen pro Quartal. k. A.: Keine Angabe
Abb. 3 Zahl der Vorlesungsstunden für Rheumatologie (Pflicht- und fakulta-
tive Vorlesung). Die Abbildung zeigt Median, Interquartilenbereich (grauer
Balken), Minimum und Maximum
sitäten angeboten. Bezieht man fakultative Angebote
in diese Zahl mit ein, werden 16 Einrichtungen den
Empfehlungen gerecht.
Internistische Rheumatologie, Praktika
Die mediane Praktikumszeit für Rheumatologie be-
trägt 6 Stunden (Abb. 4). Bei C4-geleiteten rheuma-
tologischen Einrichtungen werden 8 Stunden Ausbil-
dung am Krankenbett angeboten, in den übrigen
Klinika sind es 5 Stunden (Medianwerte). Die mitt-
lere Gruppenstärke der Praktikumsgruppen liegt bei
6–10 Studenten. Dabei sehen die Studenten im Medi-
an etwa 6–10 Patienten, in 13 Einrichtungen waren
es jedoch weniger (Abb. 5). In 12 Fakultäten beträgt
die Praktikumszeit 4 Stunden und weniger, in 5 Ein-
richtungen findet kein rheumatologisches Praktikum
statt. Die empfohlene Zahl von 16 Praktikumsstun-
den [5] wird an 8 Einrichtungen angeboten.
nOrthopädische Rheumatologie
Vorlesungen
Im Bereich orthopädischer Rheumatologie werden
im Median 2 Stunden Rheumatologie als obligatori-
sches Kolleg gelesen (bezogen auf die Gesamtstu-
dienzeit), zuzüglich einer Stunde fakultativer Vor-
lesung. 9 Fakultäten hielten keine rheumatologische
Pflichtvorlesung ab, 5 davon auch keine fakultativen
Kollegs.
Praktika
An orthopädischen Fakultäten werden im Median
4 Stunden rheumatologisches Praktikum angeboten
(Abb. 4). Die Gruppenstärke deckt sich weitgehend
mit den Angaben der internistischen Rheumatolo-
gen. Die Anzahl der vorgestellten Patienten liegt
häufig zwischen 1 und 5 (Abb. 5). In 12 Einrichtun-
gen betragen die Praktikumszeiten 2 Stunden und
weniger, 5 Einrichtungen bieten kein rheumatologi-
sches Praktikum an.
nKumulation der internistischen
und orthopädischen Daten
Um zu prüfen, ob Einrichtungen mit geringer Lehr-
kapazität auf internistisch-rheumatologischem Gebiet
die entsprechende Ausbildung in die Orthopädie ver-
lagern, wurden die Vorlesungs- und Praktikumszeiten
für Innere und Orthopädische Kliniken der gleichen
Fakultät addiert (Abb. 3, 4). Dabei ergab sich keine
Angleichung der starken Wertestreuung. Im Median
wurden in den medizinischen Fakultäten 8 Stunden
Pflicht- und 6 Stunden fakultative Vorlesung Rheuma-
tologie angeboten, zuzüglich 9 Stunden Praktikum.
Auch nach Kumulation der Daten gab es 11 Fakultä-
ten, in denen der gesamten Rheumatologie maximal
5 Pflicht-Vorlesungsstunden (meist weniger) einge-
räumt wurden, nach Berücksichtung der fakultativen
Angebote blieben noch 7 Klinika unter dieser Grenze.
Auf der anderen Seite stehen 19 Häuser, in denen min-
destens 16 Stunden rheumatologisches Kolleg gehal-
ten werden, in 11 Einrichtungen betraf dies auch die
Pflichtvorlesung.
In 9 Universitätskliniken betrug die gesamte Prak-
tikumszeit weniger als 6 Stunden. In 13 Einrichtun-
gen wurden die empfohlenen 16 Praktikumsstunden
angeboten.
Rolle der universitären Rheumazentren für die in-
ternistisch-rheumatologische Ausbildung:
Universitäre Rheumazentren finden sich an 24 Uni-
versitäten, entweder als integrierte oder als kooperie-
rende Einrichtung. Universitätsklinika mit und ohne
Rheumazentrum unterscheiden sich in der Größe
der rheumatologischen Einrichtung und im Umfang
der Ausbildung. Bei vergleichbarer Zahl stationärer
rheumatologischer Betten versorgen internistische
rheumatologische Ambulanzen an Rheumazentren
im Median 400–800 Patienten pro Quartal, verglichen
mit etwa 200 an den übrigen Häusern. In allen Rheu-
mazentren waren internistische Rheumatologen für
164 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 63, Heft 2 (2004)
© Steinkopff Verlag 2004
Abb. 4 Praktikumszeiten für Rheumatologie. Die Abbildung zeigt Median,
Interquartilenbereich (grauer Balken), Minimum und Maximum
Abb. 5 Anzahl der untersuchten Patienten mit rheumatologischen Krank-
heitsbildern in der Gesamtstudienzeit. k. A.: Keine Angabe
die rheumatologische Ausbildung verantwortlich, de-
nen im Median 13,5 Pflicht- und 4,5 fakultative Vor-
lesungsstunden zur Verfügung standen. Im Gegensatz
dazu verfügten 6 Fakultäten ohne assoziiertes Rheu-
mazentrum über keinen internistischen Rheumatolo-
gen. Hier betrug die Vorlesungszeit im Median 8 Stun-
den, zuzüglich 3 fakultativer Vorlesungsstunden. Kei-
ne Unterschiede fanden sich bei den Praktikumszei-
ten, der Größe der Studentengruppen und der Anzahl
im Praktikum untersuchter Patienten.
Nach ihrer Zufriedenheit mit dem zur Verfügung
stehenden Zeitrahmen für die rheumatologische
Ausbildung befragt, schätzten 57% der lehrenden In-
ternisten die Vorlesungszeit und 54% die Prakti-
kumszeit als zu kurz ein. 31% der Orthopäden beur-
teilten die Vorlesungszeit, 46% die Praktikumszeit
als zu kurz. 37% der Internisten und 23% der Ortho-
päden bezeichneten das Interesse der Studenten am
Lehrangebot als mangelhaft oder sehr mangelhaft.
nThemenschwerpunkte der Ausbildung
Die Frage, welche Erkrankungen und welche Thera-
pieformen die höchste Priorität in der Ausbildung
besitzen, wurde von Internisten und Orthopäden er-
wartungsgemäß unterschiedlich beantwortet. Neben
der rheumatoiden Arthritis, die bei beiden Fachrich-
tungen im Vordergrund stand, räumten Orthopäden
den degenerativen Gelenkerkrankungen die höchste
Priorität ein, während Internisten ihre Schwerpunkte
bei Kollagenosen und Vaskulitiden setzten. Weich-
teilrheumatischen Erkrankungen und den juvenilen
Arthritisformen wurden von beiden Fachrichtungen
nur geringe Bedeutung zugemessen.
Diskussion
Ziel unserer Befragung war eine bewusst knapp ge-
haltene Bestandsaufnahme der rheumatologischen
Lehrtätigkeit an deutschen Universitäten. Die vorlie-
genden Angaben stellen eine Momentaufnahme dar.
Laufende Berufungsverfahren auf vakante oder neu
geschaffene Lehrpositionen könnten die Statistik in
den nächsten Jahren ebenso verändern wie die
Schließung oder Herabstufung rheumatologischer
Lehrstühle. Außerdem ist es – trotz intensiver Bemü-
hungen um einen vollständigen Rücklauf der Daten-
bögen – denkbar, dass Angaben ungenau sind oder
potentielle Ansprechpartner von ihren Dekanaten
nicht kontaktiert wurden. Die vorliegenden Daten
lassen nur Rückschlüsse auf den Lehrumfang zu.
Persönliches Engagement und didaktisches Geschick
der Lehrenden lassen sich nicht quantifizieren. Be-
rücksichtigt man diese Einschränkungen, lassen sich
dennoch Schlussfolgerungen aus der vorliegenden
Studie ziehen.
Unsere Umfrage zeigt die enorme Streuung der
Angebote. Rheumatologische Ausbildungsmöglich-
keiten können entweder völlig fehlen oder einen
Umfang erreichen, der die ausführliche Behandlung
aller wichtigen Krankheitsbilder ermöglicht. Ein
Ausgleich von Defiziten in der internistisch-rheuma-
tologischen Ausbildung durch verstärkte Lehrtätig-
keit in der Orthopädie (bzw. umgekehrt) ist in rele-
vantem Umfang nicht erkennbar. Dies könnte durch
das Fehlen eines Synergie-Effekts zwischen beiden
Fachrichtungen erklärt werden: Hat eine Innere
Klinik keinen rheumatologischen Schwerpunkt, ist
häufig auch kein rheumatologisch-orthopädischer
Partner vorhanden und umgekehrt. Außerdem zeigt
die unterschiedliche Schwerpunktsetzung beider
Fachrichtungen, dass internistische und orthopädi-
sche Lehre nicht ohne Einbußen gegeneinander aus-
tauschbar sind. Welche Auswirkungen die vom Deut-
schen Ärztetag 2003 beschlossene neue Musterwei-
terbildungsordnung, die Orthopädie und Traumato-
logie zu einem Fachgebiet vereinigt, für die rheuma-
tologische Ausbildung von Studenten haben wird, ist
ungewiss. Es kann aber die Hoffnung geäußert wer-
den, dass die auf drei Jahre ausgeweitete Zusatzwei-
terbildung Orthopädische Rheumatologie ähnlich
wie die auf drei Jahre ausgeweitete Weiterbildungs-
zeit zur Internistischen Rheumatologie auch eine
Verbesserung der studentischen Ausbildung zur Fol-
ge hat.
Die Empfehlungen der Kommission für studenti-
sche Ausbildung der DGRh [5] werden nur an einem
Viertel der internistischen Universitätskliniken in
vollem Umfang umgesetzt. Auch bei Einbeziehung
der fakultativen Vorlesungen und bei Berücksichti-
gung der orthopädisch-rheumatologischen Lehrtätig-
keit gehen weniger als die Hälfte der Universitäten
mit diesen Empfehlungen konform. Dies betrifft vor
allem den wichtigen Unterricht am Krankenbett. Ei-
ne Ursache für diese Schwäche könnte die mangeln-
de Verfügbarkeit von Patienten mit charakteristi-
schen rheumatologischen Krankheitsbildern auf den
Stationen bzw. ein zu kleines Patientenkollektiv in
den Ambulanzen sein. Dieses Problem wird vielleicht
am besten durch die Tatsache reflektiert, dass an 14
Häusern keine oder keine vollständige Weiterbil-
dungsermächtigung für internistische Fachärzte vor-
handen war. Limitierungen der Weiterbildungs-
ermächtigung sind häufig durch zu geringe Fallzah-
len bedingt. Unsere Ergebnisse unterstreichen die
Rolle der Rheumazentren auch für die Ausbildung
von Studierenden. Die Forderungen nach stärkerem
Praxisbezug der Ausbildung, wie sie in der neuen
Approbationsordnung niedergelegt wurde, muss al-
165G. Keyßer et al.
RISA-Studie
lerdings auch in den Rheumazentren umgesetzt wer-
den. Dabei sollte – wie von der EULAR gefordert –
der Schwerpunkt auf einfache, aber häufige klinische
Problemstellungen gelegt werden, z.B. auf das prak-
tische Herangehen bei Rückenschmerz oder Gelenk-
schwellung [6].
Es ist angesichts der strukturellen Probleme in
der Krankenversorgung und der bevorstehenden
Einführung von DRGs sicher nicht einfach, die sta-
tionären rheumatologischen Kapazitäten an den Uni-
versitätsklinika zu erhalten oder auszubauen. Die
Möglichkeiten zur ambulanten Versorgung sind an
den Universitätsklinika begrenzt, da diese, wenn kei-
ne Ermächtigungsambulanz vorliegt, nicht kosten-
deckend ist. Die Zahl der bundesweit besetzten
C4-Lehrstühle für internistische Rheumatologie (der-
zeit 7) darf in den nächsten Jahren auf keinen Fall
abnehmen und sollte eher noch vermehrt werden.
Ein Abbau der stationären und ambulanten Struktu-
ren in der universitären Rheumatologie führt
zwangsläufig zu einer weiteren Verschlechterung der
Ausbildungssituation, vor allem im praktischen Un-
terricht.
Aus den beschriebenen Defiziten in der rheuma-
tologischen Ausbildung lassen sich folgende Forde-
rungen ableiten:
1. Die akademischen Strukturen im Fach Rheumato-
logie müssen in jedem Fall in den nächsten Jah-
ren verbessert werden! Dazu gehört der Erhalt
der Lehrstühle für Rheumatologie ebenso wie der
Erhalt bzw. Aufbau rheumatologischer Abteilun-
gen und Kliniken.
2. Fehlt die rheumatologische Kompetenz an einer
Universitätsklinik, könnten Gastdozenten, z.B. aus
einer Nachbaruniversität oder aus akademischen
Lehrkrankenhäusern in die Lehre einbezogen wer-
den. Außerdem sollten bei zu geringen rheuma-
tologischen Patientenzahlen am eigenen Hause
Kooperationsbeziehungen zu rheumatologischen
Akut- und Rehakliniken bzw. zu niedergelassenen
Rheumatologen mit Lehrbefugnis geknüpft wer-
den.
3. Alternative Modelle für die praktische Ausbildung
sollten geprüft werden. Dazu könnte die Arbeit
mit geschulten Patienten mit repräsentativen
Krankheitsbildern gehören, die – evtl. gegen eine
Aufwandsentschädigung – an Seminaren teilneh-
men. Funktionierende Beispiele für dieses Vor-
gehen wurden bei der letzten Tagung der DGRh
vorgestellt [7]. Diese Patienten können einerseits
über die Universitäten rekrutiert werden, zum an-
deren bietet sich die Zusammenarbeit mit ehren-
amtlich tätigen Patienten an, die in der Deutschen
Rheumaliga organisiert sind. In den USA, Hol-
land und der Schweiz ist eine derartige Koope-
ration als so genanntes „Patient Partner Project“
bereits gut etabliert. Mittlerweile sind auch inter-
netgestützte Kurse und Lernprogramme auf CD-
ROM verfügbar, die eine praxisorientierte Ausbil-
dung ergänzen können.
Die Ausrufung der Bone and Joint Decade 2000–2010
ist auch Ausdruck der wachsenden Überalterung der
Bevölkerung in den Industrieländern. Rheumatologi-
sche Krankheitsbilder werden in ihrer Bedeutung
weltweit zunehmen. Ein Eingehen der Universitäten,
Standesvertretungen und der Politik auf die sich da-
raus ableitenden Erfordernisse ist zum jetzigen Zeit-
punkt nicht zu erkennen. Durch eine sinnvolle und
gründliche Ausbildung unserer Studenten kann je-
doch die Aufmerksamkeit für die Probleme musku-
loskeletaler Erkrankungen geschärft und so eine
Voraussetzung für die Sicherung der rheumatologi-
schen Versorgung in der Zukunft geschaffen werden.
166 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 63, Heft 2 (2004)
© Steinkopff Verlag 2004
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