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Fakt oder Artefakt? Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Häufigkeit psychischer Störungen

Authors:
6 IN|FO|NEU ROLOGIE & PSYCHIATRIE 2008; Vo l. 6, Nr. 3
Schwerpunkt
Prof. Dr. med.
Anita Riecher-Rössler
ariecher@uhbs.ch
Fakt oder Artefakt?
Geschlechtsspezifische Unterschiede
in der Häufigkeit psychischer Störungen
ANITA RIECHER-RÖSSLER, BASEL
Zusammenfassung
Obwohl die Lebenszeitprävalenz psychischer Er-
krankungen bei beiden Geschlechtern gleich hoch
ist, kommen bestimmte psychische Erkrankungen
häufiger bei Frauen vor, andere wiederum häufiger
bei Männern. Die Ursachen dieser Unterschiede
sind vielfältig. Zum einen handelt es sich nur um ver-
meintliche Unterschiede; doch es gibt auch zahl-
reiche echte Geschlechtsunterschiede. Diese sind
meist multifaktoriell bedingt – durch das biologische
Geschlecht einschliesslich seiner Genetik, seiner
Anatomie, seiner Hormone etc. einerseits, durch das
psychosoziale Geschlecht mit den ihm zugeschrie-
benen und übernommenen Rollen in Partnerschaft,
Familie, Beruf, Politik, etc. andererseits. Eine
«geschlechtersensible» Psychiatrie berücksichtigt
alle diese Einflüsse in Diagnostik und Therapie.
Résumé
Bien que la prévalence des affections psychiques
durant la vie entière soit la même chez les deux
sexes, certaines affections psychiques apparaissent
plus fréquemment chez les femmes, d’autres par
contre plus fréquemment chez les hommes. Les
causes de ces différences sont multiples. D’un part,
il ne s’agit que de différences prétendues; mais il
existe aussi de nombreuses véritables différences
entre les sexes. Celles-ci ont souvent des causes
multifactorielles, liées d’une part au sexe biolo-
gique, incluant la génétique, l’anatomie, les hor-
mones, etc. et d’autre part au sexe psychosocial
avec ses rôles prescrits et endossés dans le partena-
riat, la famille, le travail, la politique, etc. Une psy-
chiatrie «sensible au sexe» prend en compte toutes
ces influences dans le diagnostic et le traitement.
Obwohl die Lebenszeitprävalenz psychischer Er-
krankungen – also die Häufigkeit über die Lebens-
zeit betrachtet bei Frauen und Männern gleich
hoch ist, leiden Frauen doch zum Teil in anderer Art
und Weise und zu anderen «Risikozeiten». Auch
nehmen sie häufiger therapeutische Hilfe in An-
spruch (für einen Überblick siehe [1]).
Häufigkeit und klinisches Bild psychischer Er-
krankungen werden bei Frauen zum Teil durch «Re-
produktionsvorgänge» beeinflusst, also z.B. durch
Pubertät, Menstruation, Schwangerschaft und Peri-
natalzeit oder Menopause.
Aber auch unabhängig hiervon, treten viele psy-
chische Erkrankungen unterschiedlich häufig bei
Frauen und Männern auf. So leiden Frauen bekannt-
lich häufiger als Männer an Essstörungen – Anore-
xie und Bulimie. Auch Depressionen sind bei Frauen
etwa doppelt so häufig wie bei Männern, und zwar
von den leichteren depressiven Zuständen, den so
genannten neurotischen Depressionen und Dysthy-
mien, bis hin zu den schweren unipolaren affektiven
Erkrankungen. Die meisten Arten von Angststö-
rungen einschliesslich der Agoraphobie, der Panik-
erkrankung und der sozialen Phobie sind bei
Frauen eher anzutreffen. Frauen verüben auch öf-
ter Suizidversuche als Männer. Bei Männern dage-
gen sind vollendete Suizide häufiger, ebenso Sucht-
erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen, ins-
besondere antisozialer Art (Tab. 1). Die Ursachen
dieser Geschlechtsunterschiede sind vielfältig.
Scheinbare Häufigkeitsunterschiede
In vielen Fällen handelt es sich lediglich um vorge-
täuschte Unterschiede, etwa durch geschlechtsspe-
zifische Verzerrungen bei der Erhebung und Inter-
pretation von Daten, bei der Diagnosenvergabe etc.
Auch zeigen verschiedene Studien, dass Frauen ihre
Beschwerden selbst besser wahrnehmen, bereitwil-
liger darüber berichten und vor allem schneller Hil-
fe in Anspruch nehmen als Männer [1].
So gibt es etwa bezüglich der häufigeren Depres-
sion von Frauen Befunde, dass Frauen schneller Hil-
fe suchen als Männer, dass sie sich auch besser an
depressive Symptome erinnern und diese eher be-
richten. Auch gibt es Hinweise auf einen «Geschlech-
terbias» bei der Diagnostik, etwa dahingehend, dass
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es für Mann und Frau einer anderen Symptom-
schwelle bedarf, um zu einem «Fall» zu werden.
Schliesslich sind auch Ärzte Rollenstereotypen un-
terworfen: Bei identischer Beschwerdenschilderung
wird bei Frauen offensichtlich schneller eine Depres-
sion diagnostiziert als bei Männern. Weiterhin wird
angeführt, dass bei Männern die Depression oft
durch Alkoholismus maskiert werde [1].
Insbesondere bei Studien, die sich auf Inanspruch-
nahmedaten stützen, ist zu berücksichtigen, dass zum
Teil auch das Versorgungssystem selbst zu einer ge-
schlechtsspezifischen Patientenselektion beiträgt. So
wissen wir, dass Frauen sowohl ambulante als auch
stationäre Dienste stärker in Anspruch nehmen als
Männer. Ambulant aber werden Frauen häufiger
durch Hausärzte betreut, während Männer eher an
Fachärzte überwiesen werden. Studien in stationären
oder ambulanten Einrichtungen oder beim Haus-
arzt, werden also eine grössere Häufigkeit von
Frauen finden, die nicht unbedingt der «echten» Häu-
figkeit in der Bevölkerung entspricht.
Echte Häufigkeitsunterschiede
Auch nach Ausschluss dieser Artefakte verbleiben
immer noch beträchtliche echte Geschlechtsunter-
schiede in Inzidenz und Prävalenz. So zeigen auch
die grossen epidemiologischen Studien mit zuver-
lässiger Methodik (standardisierte Fragebogen,
standardisierte Diagnosesysteme, geschulte Inter-
viewer, repräsentative Bevölkerungserhebungen)
Ergebnisse in die gleiche Richtung [2–7]: Depres-
sion und Dysthymie, Angststörungen und Essstö-
rungen sowie körperbezogene Störungen und Soma-
tisierungsstörungen sind bei Frauen durchwegs
häufiger, dagegen sind Alkohol- und Drogenprob-
leme sowie so genanntes dissoziales Verhalten bei
Männern häufiger. Ein ausgeglichenes Geschlech-
terverhältnis zeigen hingegen die Psychosen.
Wichtig ist dabei, dass die Gesamtlebenszeitprä-
valenz für psychische Erkrankungen bei Männern
und Frauen dennoch etwa gleich hoch ist. Vor allem
in den neueren epidemiologischen Studien liegt die
Gesamtprävalenz mit 40% bis fast 50% relativ hoch.
Das heisst, über 40 von 100 Menschen – Männer wie
Frauen – leiden mindestens einmal im Leben an
einer psychischen Erkrankung.
Zu den häufigsten psychischen Störungen gehö-
ren dabei die affektiven Störungen. Hier liegt die
Lebenszeitprävalenz bei Frauen etwa doppelt so
hoch wie bei Männern, und dieser Unterschied
scheint in den verschiedensten Kulturen zu beste-
hen. In der «Epidemiologic-Catchment-Area»-Stu-
die, der grössten repräsentativen Feldstudie in den
USA, fand sich eine Lebenszeitprävalenz von 10,2%
bei Frauen und 5,2% bei Männern [5]. Zu noch hö-
heren Prävalenzen kam die «National Comorbidi-
ty Survey» [3], in der noch mehr Wert auf das «Wie-
der-Erinnern» vergangener Episoden gelegt wurde:
23,9% aller Frauen und 14,7% aller Männer erhiel-
ten die Lebenszeitdiagnose einer affektiven Stö-
rung.
Auch bei den Angststörungen liegt das Verhält-
nis Frauen zu Männer in den oben genannten gros-
sen epidemiologischen Studien bei ca. 2:1, bei den
Essstörungen zwischen 3,5:1 und 6,5:1. Alkoholbe-
dingte Störungen dagegen sind mit einem Ge-
schlechtsverhältnis von 0,2–0,5:1 bei den Frauen un-
terrepräsentiert [1].
Ursachen der Unterschiede
Die echten Geschlechtsunterschiede sind sicherlich
zum Teil biologisch, zum Teil psychosozial und kul-
turell, häufig aber multifaktoriell bedingt.
Auf der biologischen Seite handelt es sich dabei
vor allem um genetische und hormonelle Einflüsse
– zum einen auf die Hirnentwicklung und Hirnmor-
phologie, zum anderen aber auch auf das aktuelle
seelische Befinden [1]. So wissen wir inzwischen
Tab. 1
Psychische Erkrankungen mit geschlechtsspezi scher Prävalenz
«Frauenspezifische» Erkrankungen
Prämenstruelles Syndrom
Postpartale Erkrankungen (Blues, postpartale Depression, Puerperalpsychose)
«Menopausen-Syndrom»
Der Anteil der Frauen überwiegt bei
Depression (unipolare, Dysthymie)
Angststörungen
Essstörungen (Anorexie, Bulimie)
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Suizidversuch
Der Anteil der Männer überwiegt bei
Sucht (Alkohol, Drogen)
Vollendeter Suizid
Dissozialen Persönlichkeitsstörungen
Tab. 2 Ursachen der Geschlechterunterschiede
Geschlechtsunterschiede sind meist mehrfach determiniert
durch das biologische Geschlecht, das sogenannte «Sex», einschliesslich seiner
Genetik, seiner Anatomie, seiner Hormone etc.
durch das psychosoziale Geschlecht, das sogenannte «Gender», mit all den
ihm zugeschriebenen und übernommenen Rollen in Partnerschaft, Familie,
Beruf, ökonomischen Strukturen und Kulturen
«Frauen sind nicht häufiger psychisch
krank, sie zeigen offensichtlich aber eine
andere Häufigkeitsverteilung von
psychischen Störungen.»
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beispielsweise, dass Östradiol, das wichtigste weibli-
che Sexualhormon, eine grosse Zahl von Neurotrans-
mittersystemen moduliert, die mit unserem seelischen
Befinden zu tun haben – u.a. das dopaminerge, das
serotonerge, das gabaerge System und auch die Mo-
noaminoxidase (MAO).
Auch werden vielfältige psychosoziale Einfluss-
faktoren diskutiert. Von Bedeutung sind hier
offensichtlich schon die frühen Geschlechts-
unterschiede in der psychischen Entwicklung, ein-
schliesslich der geschlechtsspezifischen Erziehung
und Sozialisation von Knaben und Mädchen, die wie-
derum das geschlechtsspezifische Rollenverhalten
prägen. Eine wichtige Rolle bei den Geschlechtsun-
terschieden in Häufigkeit und Verlauf psychischer
Störungen spielen zudem der unterschiedliche sozi-
ale Status von Männern und Frauen, die Unterschiede
im sozialen Stress sowie in der sozialen Unterstüt-
zung, die sie erfahren, und vieles mehr (Tab. 2) [1].
Geschlechtsunterschiede im
Ersterkrankungsalter
Angstsymptome scheinen schon bei Mädchen häu-
figer zu sein als bei Buben. Auch zeigte sich ein
Zusammenhang zwischen dem frühen Auftreten
von Angstsyndromen und der späteren Entwick-
lung eines depressiven Syndroms, was zur Hypo-
these Anlass gab, dass die erhöhte Inzidenz von
Angstsyndromen bei Mädchen der später erhöh-
ten Prävalenz von Depressionen bei Frauen den
Weg bahnt.
Die Depression dagegen scheint erst in und nach
der Pubertät ein typisch weibliches Phänomen zu
werden. Im Alter von 13–16 Jahren geben Mäd-
chen erstmals ein geringeres körperliches und see-
lisches Wohlbefinden an. Zwischen 15 und 18 Jah-
ren steigt die Prävalenz der Depression bei beiden
Geschlechtern, bei Frauen jedoch sehr viel deut-
licher als bei Männern. In der Perimenopause ver-
doppelt sich dann die Inzidenz der Depression.
Auch nach der Menopause, also ca. ab dem 50. Le-
bensjahr, scheint dieser Geschlechtsunterschied
so die Ergebnisse neuerer Studien bestehen zu
bleiben (für einen Überblick siehe [1]).
Daneben gibt es auch Erkrankungen, die zwar
keine Geschlechtsunterschiede in der Lebenszeit-
prävalenz, aber doch im Ersterkrankungsalter zei-
gen. So wurden etwa bei der Schizophrenie, einer
der schwersten Erkrankungen der Psychiatrie,
schon immer Geschlechtsunterschiede bezüglich
des Ersterkrankungsalters beschrieben, obwohl
die Lebenszeitprävalenz bei Männern und Frauen
gleich ist. Frauen erkranken im Mittel etwa vier
Jahre später als Männer. Während sie im jungen
Erwachsenenalter seltener erkranken als Männer,
ist ihr Neuerkrankungsrisiko nach dem 45. Lebens-
jahr etwa doppelt so hoch wie das der Männer.
Schlussfolgerungen
Frauen leiden nicht häufiger an psychischen Er-
krankungen als Männer, aber die Leiden zeigen
eine andere Symptomatik und zum Teil auch eine
andere Pathogenese. Dies sollte man in Diagnostik
und Therapie berücksichtigen – und zwar bei
Frauen wie auch bei Männern zum Wohle un-
serer Patientinnen und Patienten.
Prof. Dr. med. Anita Riecher-Rössler
Chefärztin, Psychiatrische Poliklinik,
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4, 4031 Basel
ariecher@uhbs.ch
Literatur:
1. Riecher-Rössler A, Bitzer J: In: Riecher-Rössler A, Bitzer
J, (Herausgeber): Frauengesundheit. Ein Leitfaden für die
ärztliche und psychotherapeutische Praxis. München, Jena:
Elsevier Urban & Fischer 2005: 21–9.
2. Bijl RV, et al.: Prevalence of psychiatric disorder in the ge-
neral population: results of The Netherlands Mental Health
Survey and Incidence Study (NEMESIS). Soc Psychiatry
Psychiatr Epidemiol 1998; 33(12): 587–95.
3. Kessler RC, et al.: Lifetime and 12-month prevalence
of DSM-III-R psychiatric disorders in the United States.
Results from the National Comorbidity Survey. Arch Gen
Psychiatry 1994; 51(1): 8–19.
4. Meyer C, et al.: Lifetime prevalence of mental disorders in
general adult population. Results of TACOS study. Nerven-
arzt 2000; 71(7): 535–42.
5. Robins LN, Regier DA: Psychiatric disorders in America.
The Epidemiological Catchment Area Study. New York: The
Free Press; 1991.
6. Wittchen HU, et al.: Lifetime and six-month prevalence of
mental disorders in the Munich Follow-Up Study. Eur Arch
Psychiatry Clin Neurosci 1992; 241(4): 247–58.
7. Wittchen HU, et al.: Prevalence of mental disorders and
psychosocial impairments in adolescents and young
adults. Psychol Med 1998; 28(1): 109–26.
Die Lebenszeitprävalenz für psychische Erkrankungen
ist bei Männern und Frauen gleich – dennoch gibt es
Unterschiede, vor allem bei Symptomen und Erkran-
kungsalter.
Foto: Pixelio/von Melis
... Dies wirft die Frage nach der Erreichbarkeit von Männern für psychische Gesundheitsthemen auf. Eine geschlechtsspezifische Diskrepanz zeigt sich beispielsweise auch in Belegen aus der Schweiz, Großbritannien und Kanada, die auf eine geringere Inanspruchnahme von Psychotherapie und professioneller psychologischer Hilfe bei psychischen Gesundheitsproblemen durch Männer hindeuten (Johnson et al. 2012;Riecher-Rössler 2008;Yousaf et al. 2015). Als mögliche Barrieren für die Hilfesuche von Männern wurden z. ...
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Zusammenfassung Hintergrund Die psychische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Gesundheit, und Präventionsmaßnahmen mit dem Ziel, diese Komponente der Gesundheit zu erhalten und zu fördern, haben in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. In Europa sind Depressionen der wichtigste Einzelfaktor für psychische Gesundheitsprobleme. Die hohe Prävalenz und die besonders hohe Krankheitslast von Depressionen begründen ein großes Interesse an wirksamen, früh einsetzenden, niedrigschwelligen und individuellen Präventionsmaßnahmen für die Allgemeinbevölkerung. Ziel Ziel dieses Beitrages ist es, einen Überblick über die Entwicklung und Struktur des evidenzbasierten Anwendungsprogramms „Anima Mentis“ zur Förderung der psychischen Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen zu geben. Ergebnis Basierend auf einer narrativen Literaturrecherche zur Identifizierung evidenzbasierter Interventionen wurden Erkenntnisse zu monosensorischen und multisensorischen Stimulationen zur Reduktion depressiver Symptome und zur Förderung des psychischen Wohlbefindens in das Programm „Anima Mentis“ überführt. Dieses modular aufgebaute Programm wird in einem Behandlungszentrum mit verschiedenen Raumkonzepten wie Bewegungsraum, Lichtraum, Virtual Reality (VR)-Raum, Nature-360°-Kino und Sinnesraum umgesetzt. Schlussfolgerung Das Praxisprojekt „Anima Mentis“ verfolgt einen personalisierten Ansatz zur Förderung der psychischen Gesundheit. Dieses Konzept bietet das Potenzial, in verschiedene Versorgungseinrichtungen wie z. B. die betriebliche Gesundheitsförderung integriert zu werden. Um die Evidenzlage zur multisensorischen Stimulation zu erweitern und Einblicke in spezifische Nutzergruppen, insbesondere im präventiven Kontext, zu gewinnen, ist zukünftige Forschung notwendig.
... Frauen leiden häufiger anEssstörungen,Depressionenund Panikstörungen; wohingegen Männer häufiger Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen aufweisen. Geschlechtsunterschiede zeigen sich auch in der Inanspruchnahme von Psychotherapie (Riecher-Rössler 2008). Ambulante Psychotherapie wird zu zwei Dritteln von Frauen und zu einem Drittel von Männern in Anspruch genommen (Strauß et al. 2002). ...
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Zusammenfassung Hintergrund Geschlechtsspezifische Unterschiede bei psychischen Erkrankungen sind vielfach belegt. Auch bei der Inanspruchnahme psychotherapeutischer und medizinischer Versorgungsangebote sind Geschlechtsunterschiede festzustellen. Die vorliegende Studie untersucht Geschlechtsunterschiede bei der Inanspruchnahme psychotherapeutischer Versorgungsangebote in Österreich, da hierzu bisher keine Studien vorliegen. Material und Methoden Eine Stichprobe von 1909 Patient*innen (64 % Frauen) mit einer psychischen Erkrankung wurde im Rahmen einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Klinik in Österreich zur Inanspruchnahme ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befragt. Sowohl psychotherapeutische Vorbehandlung als auch geplante weiterführende Behandlung wurden einbezogen. Ergebnisse Der größte Teil der Patient*innen (70 %) litt seit mehr als 2 Jahren an einer psychischen Erkrankung, und knapp die Hälfte (45 %) war bereits zuvor in stationärer und 82 % in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung. Demnach handelt es sich um eine Stichprobe chronisch psychisch kranker Menschen. Die Studienergebnisse zeigten geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlung. Männer gingen seltener zum Arzt, waren weniger häufig in psychotherapeutischer Vorbehandlung (Männer: 79 %; Frauen: 84 %) und planten weniger häufig eine weiterführende Behandlung im Anschluss an eine stationäre Behandlung als Frauen. Schlussfolgerung Die Geschlechtsunterschiede bei der Inanspruchnahme von psychotherapeutischer Behandlung könnten damit erklärt werden, dass es Unterschiede in den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber Männern und Frauen gibt. Die Behandlungsmotivation von Männern könnte durch eine geschlechtsspezifische Behandlungsstrategie gefördert werden.
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Entlang der jeweiligen Genusgruppe, der sozialen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der sexuellen Orientierung, des Alters und der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe wird die Person in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen sichtbar. Diese scheinbar natürlichen Merkmale sind gesellschaftlich mit Erwartungen, Anforderungen, Zuweisungen und Verhaltenspraktiken verknüpft, die oft verhindern, dass eigene authentische Erfahrungen adäquat zum Ausdruck kommen. Diskriminierungserfahrungen und gesellschaftliche Benachteiligungen und Ausschlüsse entlang dieser Kriterien bedingen Leidenszustände, die in unseren Praxen sichtbar werden. Psychotherapeut:innen – insbesondere im Personzentrierten Ansatz – haben daher die Verantwortung, soziale Strukturen zu reflektieren und in Theorie und Praxis ihrer Arbeit mitzudenken. Der Personzentrierte Ansatz ist eine Kulturphilosophie und als solche aufgerufen, den kulturellen Ausdruck des Menschen zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen. Eine geschlechtersensible Haltung sollte sich dabei nicht nur auf die Erlebniswelt der Klient:innen beziehen, sondern auch die therapeutische Interaktion und unseren Berufsstand selbst sowie unser Handeln als weiblich und männlich sozialisierte Therapeut:innen miteinbeziehen und stetig reflektieren.
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The Lifetime and 6 month DSM-III prevalence rates of mental disorders from an adult general population sample of former West Germany are reported. The most frequent mental disorders (lifetime) from the Munich Follow-up Study were anxiety disorders (13.87%), followed by substance (13.51%) and affective (12.90%) disorders. Within anxiety disorders, simple and social phobia (8.01%) were the most common, followed by agoraphobia (5.47%) and panic disorder (2.39%). Females had about twice the rates of males for affective (18.68% versus 6.42%), anxiety (18.13% versus 9.07%), and somatization disorders (1.60% versus 0.00%); males had about three times the rates of substance disorders (21.23% versus 6.11%) of females. Being widowed and separated/divorced was associated with high rates of major depression. Most disordered subjects had at least two diagnoses (69%). The most frequent comorbidity pattern was anxiety and affective disorders. Simple and social phobia began mostly in childhood or early adolescence, whereas agoraphobia and panic disorder had a later average age of onset. The majority of the cases with both anxiety and depression had depression clearly after the occurrence of anxiety. The DIS-DSM-III findings of our study have been compared with both ICD-9 diagnoses assigned by clinicians independently as well as other epidemiological studies conducted with a comparable methodology.
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As part of a longitudinal study, prevalence findings of DSM-IV disorders are presented for a random sample of 3021 respondents aged 14 to 24, with response rate 71%. Assessment included various subtypes of disorders, subthreshold conditions and disorders that have only rarely been studied in other epidemiological surveys. The computer-assisted Munich-Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI) was used to derive DSM-IV diagnoses. Substance disorders were the most frequent (lifetime 17.7%; 12-month 11.4%), with abuse being considerably more frequent than dependence. Other mental disorders had a lifetime prevalence of 27.5% (12-month, 17.5%) with depressive disorders (16.8%) being more frequent than anxiety disorders (14.4%). Eating disorders (3.0%) and threshold somatoform disorders (1.2%) were rare disorders. Subthreshold anxiety and somatoform disorders, however, were more frequent than threshold disorders. Prevalence of disorders was equally high for males and females, although specific disorder prevalence varied significantly by gender. The co-occurrence of disorders (co-morbidity) was substantial and was significantly related to greater reductions in work productivity and increased rates of professional helpseeking behaviour. Findings underline that mental disorders in young adults are frequent and impairing, limiting work and education ability and social interaction. Given the fact that adolescents and young adults are in a key phase of socialization in terms of professional career and interpersonal relationships, our findings indicate a considerable risk potential for an accumulation of complicating factors and future chronicity. This paper is the first report of this ongoing longitudinal study about early developmental conditions of mental disorders.
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This article reports the initial results of a prospective study on the prevalence of psychiatric disorders in the Dutch population aged 18-64. The objectives and the design of the study are described elsewhere in this issue. A total of 7076 people were interviewed in person in 1996. The presence of the following disorders was determined by means of the CIDI: mood disorders, anxiety disorders, eating disorders, schizophrenia and other non-affective psychoses, and substance use disorders. Psychiatric disorders were found to be quite common. Some 41.2% of the adult population under 65 had experienced at least one DSM-III-R disorder in their lifetime, among them 23.3% within the preceding year. No gender differences were found in overall morbidity. Depression, anxiety, and alcohol abuse and dependence were most prevalent, and there was a high degree of comorbidity between them. The prevalence rate encountered for schizophrenia was lower (0.4% lifetime) than generally presumed. A comparison with findings from other countries is made. Relevant determinants of psychiatric morbidity were analysed.
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The present paper reports lifetime prevalence rates of mental disorders in the 18- to 64-year-old general population of a northern German region. A representative random sample from registration office files of 4,075 individuals was examined in personal interviews using the fully standardized and computerised "Munich Composite International Diagnostic Interview" (M-CIDI). The response rate was 70.2%. Individuals were classified according to the DSM-IV. Substance use disorders were most frequent with 25.8% followed by anxiety (15.1%), somatoform (12.9%), affective (12.3%), and eating disorders (0.7%). Disorders other than substance use were more frequent in women and less frequent in men. A trend toward less psychiatric morbidity exists in individuals with higher educational level, higher income, and those who are married or reside in rural communities. Of all individuals affected by mental disorders, 42% fulfilled the criteria for at least one additional disorder. The results are discussed against the background of selected previous studies.
Lifetime and 12-month prevalence of DSM-III-R psychiatric disorders in the United States. Results from the National Comorbidity Survey
  • R C Kessler
Kessler RC, et al.: Lifetime and 12-month prevalence of DSM-III-R psychiatric disorders in the United States. Results from the National Comorbidity Survey. Arch Gen Psychiatry 1994; 51(1): 8-19.