Viele therapeutisch eingesetzte Arzneistoffe entfalten ihre erwünschte Wirkung über heptahelikale, membranständige Rezeptoren, besser bekannt als G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR). Diese dienen als Überträger externer Signale ins Zellinnere, indem sie zytosolische Effektoren wie G-Proteine oder β-Arrestine aktivieren. Wenn sie an einen aktivierten GPCR gekoppelt sind, können diese Effektorproteine anregende oder hemmende Signalwege in Gang setzen und dadurch spezifische Zellantworten auslösen. Erkenntnisse experimenteller Untersuchungen der letzten drei Jahrzehnte legen nahe, dass individuelle GPCR in der Lage sind, physisch miteinander zu interagieren und so funktionsfähige Rezeptorkomplexe zu bilden, welche man, sofern sie aus zwei unterschiedlichen Rezeptortypen bestehen, als Heterodimere bezeichnet. Typischerweise zeigen derartige Rezeptorverbünde Eigenschaften, die sich wesentlich von denen der entsprechenden Monomere unterscheiden.16,17,23,35 Es ist eine elementare Frage, inwiefern die GPCR-Heteromerisierung, die bisher hauptsächlich in vitro beobachtet und beschrieben wurde, von physiologischer oder pathophysiologischer Relevanz ist. GPCR-Komplexe in Primärgewebe oder sogar in lebenden Organismen nachzuweisen, wäre ein starkes Indiz für deren Beteiligung an pharmakologisch interessanten biochemischen Vorgängen.218 Im Gehirn überschneiden sich die dopaminergen und serotonergen Nervenbahnen vor allem im Striatum, in der Hirnrinde und in den Basalganglien. Aufgrund dessen interagieren beide Neurotransmittersysteme und kontrollieren gemeinsam wichtige neurologische Aufgaben wie die Motorik, die Gemütslage oder die Kognition. Die umfangreich exprimierten Dopamin D2- und Serotonin 5-HT2A-Rezeptoren spielen bei der Vermittlung der Effekte ihrer natürlichen Monoaminliganden eine zentrale Rolle. Bei der Behandlung der Schizophrenie beispielsweise sind die beiden Rezeptoren die Hauptangriffspunkte vieler first-line Antipsychotika.129,192 Darüber hinaus sind 5-HT2AR-D2R-Komplexe in transfizierten Zellen sowie in unterschiedlichen Regionen des Rattenhirns nachgewiesen worden und es hat sich herausgestellt, dass sie aufgrund modulatorischer Wechselwirkungen ein charakteristisches Signalverhalten zeigen.44,226–228 Nachdem 5-HT2AR und D2R wesentliche Komponenten bei der Behandlung neuropsychiatrischer Störungen sind, war es die Motivation dieser Arbeit, Informationen über die Besonderheiten des 5-HT2AR-D2R-typischen Signalverhaltens zu gewinnen und herauszufinden, ob die Bildung von 5-HT2AR-D2R-Heterorezeptorkomplexen zur Dysfunktion neurologischer Mechanismen beiträgt. Nach der Validierung der Interaktion von 5-HT2AR und D2R untersuchten wir 5-HT2AR-D2R-exprimierende Zellen hinsichtlich ihrer G-Protein-vermittelten Signaltransduktion sowie dem möglichen Einfluss Ligand-induzierter β-Arrestin Rekrutierung. Die Ergebnisse gewährten Einblick in die Spezifizität der Interaktionen zwischen 5-HT2AR und D2R innerhalb eines Heterokomplexes. Abschließend wurde in einem Rattenmodell der in vivo Effekt der Stimulation von 5-HT2AR auf das Ausmaß der Heteromerisierung von 5-HT2AR und D2R untersucht. Dieses Tierexperiment stellt erste Daten darüber zu Verfügung, ob die Entwicklung Psychose-ähnlicher Symptome mit der Bildung von 5-HT2AR-D2R-Komplexen in Zusammenhang stehen könnte. Serotonin 5-HT2A-Rezeptor-vermittelte Calciumsignale von 5-HT2AR-D2R-Komplexen Frühere Untersuchungen an NTS1R-D2R-Heterokomplexen, durchgeführt von Thorsten Schäfer, ließen eine inhibitorische Wirkung des D2-Protomers auf NTS1R-vermittelte Calciumsignale vermuten.111,112 Inspiriert durch diese funktionale Rezeptor-Rezeptor-Interaktion untersuchten wir auf dieselbe Art und Weise 5-HT2AR-bezogene, Gq-vermittelte Calciumsignale und einen eventuellen regulatorischen Einfluss co-exprimierter D2R auf diesen Signalweg. Mittels Einzelzellfluoreszenzmikroskopie konnten im Zytosol transient (co-)transfizierter Zellen (HT22, HEK293T) Ligand-induzierte Änderungen der Calciumkonzentrationen beobachtet werden. Unabhängig von der Art des 5-HT2AR-Liganden, der als Stimulus eingesetzt wurde – entweder der nicht-halluzinogene, endogene Agonist Serotonin (5-HT) oder der halluzinogene Agonist DOI –, haben sich die Calciumantworten in 5-HT2AR und D2R co-exprimierenden und 5-HT2AR mono-exprimierenden Zellen nicht unterschieden (Abbildung 64). Eine gleichzeitige Aktivierung oder Inhibition des D2-Protomers hatte keinen Effekt auf das Calciumsignal. Wohingegen D2R die Fähigkeit von NTS1R, intrazelluläres Calcium zu erhöhen, abgeschwächt hat, deuten die Ergebnisse hier an, dass in unseren Testsystemen D2R den 5-HT2AR-vermittelten Gq-Signalweg nicht reguliert. Auf Grundlage dieses vergleichenden Ansatzes kamen wir zu dem Schluss, dass funktionelle Interaktionen zwischen verschiedenen GPCR höchst spezifisch sind und maßgeblich von der Zusammensetzung des Komplexes abhängen. Die Aktivierung der 5-HT2A-Rezeptoren führte interessanterweise zu heterogenen Calciumsignalprofilen (Abbildung 64). Vor allem in den hippokampalen HT22-Zellen, jedoch kaum in HEK293T-Zellen folgten auf den initialen Calciumpeak Oszillationen mit unregelmäßiger Frequenz und Amplitude. Solche Calciumimpulse wurden unabhängig von der Anwesenheit, einer Aktivierung oder Deaktivierung von D2-Rezeptoren beobachtet, was auf ein Signalverhalten deutet, das nicht unmittelbar mit der Heteromerisierung von 5-HT2AR und D2R in Verbindung steht, sondern speziell in einer neuronalen Umgebung spezifisch für 5-HT2AR zu sein scheint. Die Validierung der Interaktion zwischen 5-HT2AR und D2R mittels BRET Durch Messung des Biolumineszenz-Resonanz-Energie-Transfers (BRET) konnten wir zwischen co-exprimierten 5-HT2A- und D2-Rezeptoren physische Interaktionen nachweisen. Genauer gesagt erhielt man in HEK293T-Zellen unter Zuhilfenahme von Rluc8-Donor- und mVenus-Akzeptor-Fusionskonstrukten in BRET-Sättigungs-Assays hyperbolische BRET-Kurven, die die Spezifizität der Interaktion bestätigten. Aufgrund niedriger Expressionslevel der Biosensor-Konstrukte in HT22-Zellen war es mit Schwierigkeiten verbunden, darin die 5-HT2AR-D2R-Interaktion reproduzierbar nachzuweisen. Da jedoch die Ligand-induzierte Calciumantwort in 5-HT2AR-D2R-exprimierenden HT22- und HEK293T-Zellen sehr ähnlich war, ließ die Auswertung der BRET-Daten die Schlussfolgerung zu, dass das Fehlen modulierender Effekte nicht durch die Abwesenheit von 5-HT2AR-D2R-Komplexen bedingt ist. Es wurden weitere BRET-Sättigungs-Assays durchgeführt, um den Einfluss erhöhter Konzentrationen an Dopamin (DA) bzw. Serotonin auf die Interaktion der Protomere zu untersuchen. Weder erhöhten noch verringerten die Agonisten das BRET-Ratio, unabhängig davon, welcher Rezeptor mit dem Donor- oder dem Akzeptorprotein verbunden war. Die unveränderten BRET-Effizienzen deuten auf eine konstitutive Bildung von 5-HT2AR-D2R-Heterorezeptorkomplexen hin, die unabhängig von deren Aktivierung ist. Die Untersuchung Gi-Protein-vermittelter Signale von 5-HT2AR-D2R-Komplexen Es gibt Anhaltspunkte, dass modulatorische Interaktionen innerhalb von GPCR-Komplexen bidirektional gerichtet sein können.97 Nachdem kein Effekt von D2R auf die 5-HT2AR-abhängige Gq-Signaltransduktion gezeigt werden konnte, legten wir den Schwerpunkt auf die Untersuchung der D2R-vermittelten Aktivierung von Gi und ob diese durch 5-HT2AR beeinflusst wurde. Mit Hilfe des zytosolischen BRET-Biosensors CAMYEL wurde in HEK293T-Zellen die Hemmung der Forskolin-stimulierten cAMP-Bildung analysiert. Im 5-HT2AR-D2R-exprimierenden Zustand wurde die durch Dopamin ausgelöste maximale cAMP-Hemmung durch die gleichzeitige Zugabe von Serotonin gesenkt (Abbildung 66). Im Gegensatz dazu wurde die maximale cAMP-Hemmung gesteigert, wenn D2-Rezeptoren durch Dopamin aktiviert und 5-HT2A-Rezeptoren durch den Antagonisten Ketanserin blockiert wurden. In D2R mono-exprimierenden Zellen wurden derartige abschwächende oder verstärkende Effekte nicht beobachtet. Diese wurden daher als Resultat der gleichzeitigen Besetzung beider Protomere von 5-HT2AR-D2R-Komplexen aufgefasst, was im Gesamtzusammenhang betrachtet auf eine negative Beeinflussung der D2R-assoziierten Gi-Signaltransduktion durch das 5-HT2A-Protomer hindeutet. Eine Kombination aus 5-HT und DA war in Gegenwart von YM-254890, einem selektiven Inhibitor von Gαq/11-Proteinen, nicht mehr in der Lage, die maximale cAMP-Inhibition zu verringern (Abbildung 66). Demzufolge scheint aktives Gαq eine entscheidende Rolle dabei zu spielen, die negative Kooperativität innerhalb des 5-HT2AR-D2R-Heterokomplexes zu vermitteln. Gemäß den cAMP-Assays, die ohne Vorstimulation mit Forskolin durchgeführt worden sind, konnte ausgeschlossen werden, dass Gαs-Proteine einen signifikanten Anteil an der inhibitorischen 5-HT2AR-D2R-Wechselwirkung haben. Die Untersuchungen zur Freisetzung intrazellulären Calciums sowie zur Hemmung der cAMP-Akkumulation nach Ligandbindung lieferten Informationen über die in vitro Eigenschaften von 5-HT2AR-D2R-Komplexen. Die Auswirkungen der 5-HT2AR-D2R-Heteromerisierung auf die G-Protein-vermittelte Signaltransduktion, welche sich aus unseren Ergebnissen ableiten lassen, werden in Abbildung 67 veranschaulicht. β-Arrestin-Rekrutierung an 5-HT2AR-D2R-Heterokomplexe Abgesehen vom Einfluss anderer G-Protein-Subtypen auf das modifizierte cAMP-Signal co-aktivierter 5-HT2AR-D2R-Heteromere untersuchten wir anschließend einen möglichen Zusammenhang mit der Agonist-stimulierten Rekrutierung von β-Arrestin-2 an den Komplex. Dazu verwendeten wir mit PK-Sequenzen markierte 5-HT2AR- und D2R-Konstrukte, die es ermöglichten, eine Rekrutierung von β-Arrestin-2 durch Enzymkomplementation und einer nachfolgenden Substratumsetzung nachzuweisen. Wie erwartet induzierten in HEK293-Zellen Serotoninrezeptoragonisten die Rekrutierung von β-Arrestin-2 an monomere 5-HT2A-Rezeptoren und Dopaminrezeptoragonisten die Rekrutierung an monomere D2-Rezeptoren. Interessanterweise erhielten wir für Zellen, die Heterodimere bestehend aus je einem PK-markierten Protomer und einem Wildtyp-Protomer exprimierten, charakteristische β-Arrestin-2-Kopplungsmuster (Abbildung 68). Die selektive Aktivierung des nicht-markierten Protomers führte zu einer geringen, aber messbaren Rekrutierung von β-Arrestin-2 an den Komplex. Um die Spezifizität der beobachteten β-Arrestin-2-Rekrutierung weiter zu analysieren, wurden innerhalb der Heterokomplexe die Wildtyp-Rezeptoren gegen nicht-signalfähige Mutanten ausgetauscht. Hierbei konnte durch Aktivierung des mutierten Protomers keine β-Arrestin-2-Bindung an den Komplex ausgelöst werden. Ob die Stimulation des nicht-markierten Rezeptors dazu führt, dass β-Arrestin-2 an das PK-Fragment des benachbarten Protomers koppelt oder ob eine allosterische Wechselwirkung innerhalb des 5-HT2AR-D2R-Komplexes eine asymmetrische Rekrutierung ermöglicht, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Sicher scheint jedoch, dass für das beobachtete Rekrutierungsmuster von β-Arrestin-2 an 5-HT2AR-D2R die Funktionsfähigkeit beider Protomere gegeben sein muss. Der Einfluss akuter serotonerger Behandlung auf die Interaktion von 5-HT2AR und D2R im Rattenhirn Es ist gezeigt worden, dass im zentralen Nervensystem 5-HT2AR und D2R physisch und aller Voraussicht nach auch funktionell miteinander interagieren.228,329 Auf Grundlage dieser Erkenntnisse haben wir Sprague-Dawley-Ratten einer Einzeldosis-Behandlung mit verschiedenen Serotoninrezeptoragonisten unterzogen, was im letzten Abschnitt dieser Arbeit dargelegt wurde. Durch die Simulation einer kurzzeitig erhöhten Aktivität der serotonergen Transmission wollten wir herausfinden, ob eine Aktivierung von 5-HT2A-Rezeptoren die Bildung von 5-HT2AR-D2R-Heterokomplexen in vivo beeinflusst. An fixierten Rattenhirnschnitten des Striatum und der Hirnrinde konnten mit Hilfe des in situ Proximity Ligation Assays (PLA) GPCR-Komplexe identifiziert und anschließend mittels konfokaler Mikroskopie lokalisiert sowie quantifiziert werden. Die PLA-Versuche sowie die mikroskopischen Untersuchungen habe ich während eines Forschungsaufenthaltes im Labor von Prof. Kjell Fuxe am Karolinska Institutet in Stockholm durchgeführt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe haben sowohl der halluzinogene 5-HT2AR-Agonist DOI als auch der nicht-halluzinogene 5-HT2AR-Agonist TCB-2 in subkortikalen und kortikalen Regionen die Dichte an 5-HT2AR-D2R-Clustern erhöht, wobei TCB-2 einen leicht stärkeren Effekt zeigte (Abbildung 69). Innerhalb des Striatum konnte DOI, im Gegensatz zu TCB-2, die Anzahl an Komplexen ausschließlich im medialen Teil der Schalenregion des Nucleus accumbens erhöhen. MDL-100907 als selektiver 5-HT2AR-Antagonist war in der Lage, die DOI-Effekte im Striatum sowie im subkortikalen Claustrum aufzuheben, was zu Häufigkeiten der 5-HT2AR-D2R-Heterokomplexe führte, die vergleichbar zu denen der Kontrollgruppe waren. Die DOI-vermittelte Zunahme an 5-HT2AR-D2R-Komplexen in bestimmten Bereichen des Rattenhirns steht demzufolge in Zusammenhang mit der Aktivierung von 5-HT2A-Rezeptoren. Unseren Erkenntnissen entsprechend akkumulieren 5-HT2AR-D2R-Heterodimere in einigen Regionen des Gehirns, in denen ihre Bildung zudem durch spezifische Aktivierung von 5-HT2AR angeregt werden kann. Die Schalenregion des Nucleus accumbens sowie das Claustrum sind an der Steuerung von Emotionen und Bewusstsein beteiligt.341,349 Interessanterweise waren beide Regionen empfindlich gegenüber halluzinogenem DOI. Eine Hochregulation von 5-HT2AR-D2R-Komplexen dort könnte zur Entstehung psychotischer Symptome beitragen, indem dadurch die für eine normale Sinneswahrnehmung erforderliche Informationsverarbeitung beeinträchtigt wird.