Zusammenfassung Teil 2 ___________________________________________________________________________________
Der zweite Teil eines umfassenden Überblicks über die Auswirkungen der Wasservogel-Fütterung behandelt die Folgen für die Gesundheit der Wasservögel. Weit überwiegend werden Brot und ähnliche Backwaren verfüttert. Die Auswirkungen auf die Gesundheit wilder Wasservögel sind kaum erforscht. Erkenntnisse aus der Geflügelhaltung zeigen jedoch, dass Schäden möglich bzw. wahrscheinlich sind: Eine überwiegende Ernährung von Brot und Getreide führt zu einem Mangel an essenziellen Aminosäuren, Vitaminen, Mineralstoffen und Rohfaser, ein übermäßiger Verzehr von Roggenbrot oder -körnern wegen des hohen Gehalts an löslichen Nicht-Stärke-Polysacchariden zu antinutritiven Effekten und zu einer Schädigung der Mikrobiota und Darmentzündungen.
Der Salzgehalt von Brot ist so hoch, dass er im Alleinfutter für Hühnerküken zu erheblichen Verlusten führen würde. Süßes kann Verdauungsstörungen verursachen, wobei für Küken bereits in manchen Broten und Brötchen zu viel Zucker enthalten ist. Verschimmelte Nahrung kann sehr schädlich sein. Weitere mögliche Schäden sind durch Experimente mit kontrolliert gefütterten wilden Wasservögeln (v.a. Stockenten)
belegt: Stockenten-Küken, die sich überwiegend von pflanzlicher Nahrung wie Brot und Getreide ernähren, geraten aufgrund eines Mangels an tierischem Eiweiß in Lebensgefahr,
weil sie und ihr Gefieder dann kaum wachsen und sie leicht auskühlen. Einseitige Ernährung mit rohfaserarmem Futter führt schnell zu Verkleinerungen der Verdauungsorgane und einer beschleunigten Darmpassage der Nahrung, sodass
Anpassungen an die Verdauung natürlicher Nahrung verloren gehen und Probleme bei Lebensraumwechseln drohen. Jungvögel sind anfällig für Schäden durch Salz, da sie es im Gegensatz zu adulten Entenvögeln nur sehr eingeschränkt ausscheiden können. Inwieweit Wasservögel in freier Wildbahn eine Fehlernährung durch die zusätzliche Aufnahme natürlicher Nahrung ausgleichen, ist nicht bekannt. Beobachtungen von Ornithologen und Tierärzten legen nahe, dass es durch den Rohfasermangel im Brot bei massiver Fütterung zu erheblichen Verdauungsstörungen kommt. Weiterhin
besteht aufgrund von Beobachtungen an Futterplätzen wilder Wasservögel der Verdacht, dass die Fütterung mit Brot und Getreide bei jungen Gänsen, Halbgänsen und Schwänen ein zu schnelles Wachstum der Handschwingen verursacht und so Kippflügel begünstigt. Weil eine Fütterung von Wasservögeln unnötig ist und wegen der vielen möglichen nachteiligen Folgen sollte nur selten und mit sehr geringen Mengen artgerechter Nahrung an geeigneten Plätzen gefüttert werden. Eine Fütterung von Jungvögeln muss vollständig
unterlassen werden. __________________________________________________________________________________
Schlussfolgerungen aus beiden Teilen der Arbeit __________________________________________________________________________________
Der erste Teil der Arbeit (Weirich 2020) zeigt, dass Experten die Fütterung wilder Wasservögel als überflüssig einschätzen, weil diese in geeigneten Lebensräumen
genug natürliche Nahrung finden. Sie hat aber eine Bedeutung für Menschen, insbesondere für Kinder, die den Kontakt mit den Tieren genießen und die einzelnen
Arten kennenlernen können. Dadurch kann die Tierliebe und eine Bereitschaft zugunsten wilder Tiere eigene Nachteile in Kauf zu nehmen gefördert werden, was langfristig auch für die wilden Wasservögel positive Folgen hätte. Diesen Vorteilen der Fütterung stehen
jedoch erhebliche Nachteile entgegen, wie beispielsweise Verschmutzungen von Parkanlagen, Eutrophierungen kleiner stehender Gewässer, Belastungen der
Wasserqualität von Badegewässern, eine Vermehrung von Ratten, die Eier und Jungvögel erbeuten, Veränderungen des Verhaltens der Wasservögel und vermutlich
eine Störung ihrer natürlichen Selektion.
Dieser zweite Teil der Arbeit zeigt, dass je nach Art und Umfang der verfütterten Nahrung negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Wasservögel möglich bzw. wahrscheinlich sind. Keinesfalls sollten verschimmelte, stark gesalzene oder gesüßte Nahrungsmittel verfüttert werden. Eine Verabreichung von Roggenbrot und -körnern sollte ebenfalls vollständig unterlassen werden, um mögliche antinutritive Effekte und Darmentzündungen durch den hohen Gehalt an wasserlöslichen Nicht-Stärke-Polysacchariden zu vermeiden. Eine massive Fütterung mit Brot oder Getreide sollte unterbleiben, weil andernfalls Verkleinerungen der Verdauungsorgane, Veränderungen der Mikrobiota und Entzündungen des Darms durch Rohfasermangel ebenso möglich erscheinen, wie Mangelerkrankungen durch zu geringe Gehalte an Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Junge wilde Wasservögel sollten niemals gefüttert werden, weil sie für alle aufgezählten Probleme besonders anfällig sind und es zu ernährungsbedingten Fehlentwicklungen kommen kann.
In der notwendigen Schutzgüterabwägung zwischen der Freude der Menschen an der Fütterung und der Umweltbildung von Kindern einerseits und den zahlreichen möglichen Nachteilen für die Wasservögel, ihre Lebensräume und nicht fütternde Parkbesucher erscheint dem Autor folgender Kompromiss vertretbar: Wer nicht ganz auf die Fütterung verzichten möchte, sollte nur selten und ein paar Meter abseits des Wassers
mit artgerechtem Futter (z.B. Weizenkörner, Salat) in sehr geringen Gesamtmengen (z.B. eine halbe Hand voll) und einzelnen, schnabelgerechten Portionen füttern, sodass nichts liegen bleibt. Dies sollte nur an Orten geschehen, wo die Fütterung erlaubt und weniger problematisch ist (z.B. an großen Flüssen). Eine Fütterung junger Wasservögel muss dabei vollständig unterlassen werden. Die verbreitete Tradition, kleinen Kindern beizubringen, an Parkteichen Enten mit Brot zu füttern, sollte durch diese Maßnahmen abgelöst werden. Zur Begründung eines Fütterungsverbots sollte auf die
Argumente zurückgegriffen werden, die für die Menschen vor Ort nachvollziehbar und im Idealfall auch durch Untersuchungen belegbar sind. Da unter den fütternden Personen Menschen sind, die sich mit viel Engagement für wilde Tiere einsetzen möchten und über
umfangreiches Wissen aus eigenen Beobachtungen verfügen, sollten sich Wissenschaftler und Natur- und Tierschutzverbände darum bemühen, diese Menschen zu
gewinnen und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie wilden Tieren und ihren Lebensräumen wirklich helfen können.
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Weirich O 2021: Effects of feeding waterbirds – useful arguments for nature and animal protection associations, authorities and interested birdwatchers. Part 2: Effects of feed and food on waterfowl health. Vogelwarte 59: 129–143.
This second part of a comprehensive overview of the effects of waterbird feeding examines the consequences for the health of waterbirds. Mostly bread and similar bakery products are fed. The effects on the health of wild waterbirds have hardly been
researched. However, findings from poultry farming show that damage is possible or likely: A predominant diet of bread and cereals leads to deficiencies in essential amino acids, vitamins, minerals and crude fibre; excessive consumption of rye bread
or grains leads to antinutritional effects and damage to the microbiota and intestinal inflammation because of the high content of soluble non-starch polysaccharides. The salt content in bread is so high that it would cause significant losses of chicken chicks if their complete feed contained so much salt. Sweets can cause digestive disorders, with some breads and rolls already containing too much sugar for chicks. Mouldy food can be very harmful. Other possible harm has been documented in experiments with control-fed wild waterfowl (especially Mallards Anas platyrhynchos): Mallard chicks, which feed mainly on
vegetarian food such as bread and cereals, are in mortal danger due to a lack of animal protein because they and their plumage then hardly grow and they cool down easily. An unbalanced diet low in crude fibre quickly leads to a reduction in the size of the digestive organs and an accelerated intestinal passage of food, so that adaptations to the digestion of natural food are lost and problems after habitat changes might occur. Young birds are susceptible to salt damage because, unlike adult ducks, they
can excrete it only to a very limited extent. To what extent waterfowl in the wild compensate for malnutrition by consuming additional natural food is not known. Observations by ornithologists and veterinarians suggest that the lack of crude fibre in
bread leads to considerable digestive irritations when fed on a massive scale. Furthermore, based on observations at feeding sites of wild waterfowl, there is a suspicion that feeding bread and cereals to young geese, sheldgeese and swans causes the primaries to grow too quickly, thus favouring the occurrence of ‘Angel Wings’. Because feeding waterfowl is unnecessary and because of the many possible adverse consequences, feeding should be done only infrequently and with very small amounts
of species-appropriate food in appropriate places. Feeding of young birds must be completely refrained from.