added 2 research items
Archived project
Wirtschaft - Macht - Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung
Updates
0 new
0
Recommendations
0 new
0
Followers
0 new
0
Reads
0 new
2
Project log
Schon die einführende Verortung von ‚Euckens Ordoliberalismus‘ zeigt, dass es in den Wirtschaftswissenschaften (sowie deren Vorläufern) auch jenseits des klassischen Marxismus eine Tradition gut begründeter Kritik an privater wirtschaftlicher Macht gibt. Gerade in der ersten deutschen Demokratie wurden – ausgehend von der Kritik an der Vermachtung der Marktwirtschaft – zahlreiche Konzepte alternativer marktwirtschaftlicher Ordnungen entworfen, wobei der marktsozialistischen Schule Franz Oppenheimers (zu dessen Schülern u. a. Alexander Rüstow und Ludwig Erhard zählen) eine Pionierrolle zukommt (grundlegend dazu: Lüdders 2004). Wie in Teil III, Kap. 2.4 gezeigt wird, steht Walter Eucken über Alexander Rüstow mit diesen Vertretern einer ‚sozialistischen Marktwirtschaft‘ in Verbindung, und es erscheint als wahrscheinlich, dass Oppenheimers Schule mittelbar auch ihre Wirkung auf den berühmten Freiburger hatte.
Für die Politische Bildung als Fachdidaktik des ‚Demokratie-Lernens‘ (Himmelmann 2001), erscheinen die durch die wirtschaftlichen und politischen Implikationen der Finanzkrise weithin sichtbar gewordenen Gefährdungen der Demokratie durch marktwirtschaftliche Macht als ein bedrohliches Panorama (vgl. die einleitenden Ausführungen). Gleichzeitig verweist diese Diagnose auf eine fachdidaktische Bringschuld. Als Didaktik der BürgerInnenbildung repräsentiert die Disziplin das zentrale Instrument einer demokratisch verfassten Staats- und Gesellschaftsordnung, um die gegenwärtigen und/ oder künftigen Bürgerinnen und Bürger unmittelbar in ihrer Rolle als Souverän anzusprechen und damit den wesentlichen Schritt von einer formal definierten zu einer verwirklichten Demokratie zu vollziehen. Verstanden als gesellschaftliche Allgemeinbildung reicht Politische Bildung prinzipiell so weit, wie die Kernaufgabe, zu der sie qualifizieren soll (vgl. Reinhardt 2005, 17 f.).
Eine Gesamtschau der in dieser Studie berücksichtigten wissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen (NS-Regime, DDR) Eucken-Exegese mündet in einem ähnlich diffusen Eucken-Bild, wie es durch die argumentative Inanspruchnahme des populären Ökonomen durch programmatisch so unterschiedlich orientierte Politiker wie Sahra Wagenknecht und Rainer Brüderle gezeichnet wird (vgl. II.1). Die in der Analyse der Eucken-Exegese identifizierten Hauptaussagen können unter der Berücksichtigung ihrer dargelegten typischen Begründungskontexte zu den pointierten Thesen 1–5 verdichtet werden (Übersicht 1). Wie unterschiedlich diese Thesen teilweise konnotiert sind, spiegelt sich ggf. in der anschließenden Ausdifferenzierung der jeweiligen Hauptthese wider.
Die Auseinandersetzung mit Walter Euckens wissenschaftlicher und persönlicher Entwicklung in der ‚Weimarer Republik‘ zeigt, dass sich der Sohn des prominenten Philosophen in einer theoretisch wie politisch sehr heterogenen ‚scientific community‘ bewegt. Dabei erscheint es als bemerkenswert, dass der politisch nationalkonservativ eingestellte junge Eucken offensichtlich die Nähe zu links- und sozialliberal eingestellten Sozialwissenschaftlern sucht und schließlich auch mit sozialdemokratisch orientierten Ökonomen in einem intensiven Kontakt steht. Insbesondere die Begegnung mit dem Soziologen Alexander Rüstow, zu dem er ein enges persönliches Vertrauensverhältnis entwickelt, das schließlich in eine tiefe Freundschaft mündet, eröffnet Eucken ein politisch wie theoretisch sehr heterogenes akademisches Umfeld, in welchem interdisziplinär über ‚Wirtschaft‘ und ihre gesellschaftliche Funktion nachgedacht wird.