Die kollektive Erfahrung von Krisen ist ein Charakteristikum der politischen, sozialen und ökologischen Auseinandersetzungen in modernen Gesellschaften. Krisendiskurse verknüpfen narrative Beschwörungen mit politischen Forderungen und Zukunftsvisionen, was von den vielfältigen Verwicklungen von Krisen mit unseren alltäglichen Praktiken und Erfahrungen zeugt. In der Epoche des Anthropozäns scheinen diese Krisen jedoch kein Ende zu finden. Vielmehr multiplizieren sie sich und beeinflussen sich wechselseitig: Der Klimawandel und weltweite Biodiversitätsverluste führen zu Migrationsbewegungen, zunehmenden sozialen Ungleichheiten und sozialen Unruhen; politische Gewalt und autoritäre Bewegungen erodieren wiederum die Grundpfeiler von Demokratien. Diese nicht endende multiple Krisenhaftigkeit macht Ungewissheit zu einem neuen Kontinuum menschlichen Zusammenlebens, zu einer permanenten Bedingung des Sozialen und stellt sowohl das bestehende, auf Ausbeutung beruhende Mensch-Natur-Verhältnis als auch unsere Vorstellung von Zukunft als linearer Fortschritt grundlegend in Frage. Im Anthropozän muss Zukunft als ein komplexes Mosaik von umkämpften Zukunftsvorstellungen verstanden werden, die sowohl durch bekannte wie auch unbekannte Ungewissheiten geprägt sind. Dieses Buch versammelt Beiträge, die sich aus einer praxistheoretischen Perspektive mit dem Spannungsfeld von Zukunft und Ungewissheit vor dem Hintergrund der Allgegenwärtigkeit sozial-ökologischer Krisen auseinandersetzen. Ausgehend von Praktiken als »Orte des Sozialen« entwerfen die Beiträge Konzepte, wie multiple Zukünfte und Ungewissheiten praxistheoretisch gedeutet werden können. Sie fragen nach den disruptiven und kreativen Potenzialen von Ungewissheiten, werfen einen Blick auf die Gestaltung von Zukunft und auf mögliche Strategien der Krisenbewältigung.